angesichts der Absicht der EU-Kommission, ein generelles PFAS-Verbot einzuführen, laufen jetzt verzweifelte Versuche der Industrie, die sich abzeichnenden Bestimmungen soweit wie möglich zu
verwässern. Das verfängt z.B. bei Robert Habeck: "PFAS spielten eine zentrale Rolle für Technologien der Zukunft wie Halbleiter, Elektrolyseure und elektrische Antriebe."
https://www.handelsblatt.com/dpa/habeck-fuer-augenmass-bei-regulierung-von-pfas-chemikalien/29294278.html.
Was zweifelsohne richtig ist, solange man nicht nach besseren Lösungen sucht.
Das Problem: es gibt 10-15000 Substanzen, die fluorierten Kohlenstoff enthalten. Einige davon sind weniger gefährlich so wie etwa fluorierte Kühlmittel (FCKW). In diese Substanzgruppe sind nach
weitgehenden Verboten infolge des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 viele Forschungsanstrengungen gegangen. Heutige Kühlmittel sind daher weit weniger schädlich für die
Ozonschicht als die vorherrschenden Substanzen in den 80er Jahren. Trotzdem können sich ersetzt werden durch z.B. Butan in Wärmepumpen.
Andere Substanzen sind an sich wenig schädlich wie z.B. das Polymer Teflon. Leider werden sie in Prozessen hergestellt, die PFAS freisetzen. Die sind dort durchaus ersetzbar, das geschieht aber
erst nach der Durchsetzung von Verboten.
In den letzten Jahren steigt der Druck etwas zu unternehmen nachdem weitflächig beunruhigende PFAS-Werte z.B. im Blut von europäischen Jugendlichen oder im Trinkwasser in den USA gefunden werden.
Blutwerte: https://www.hbm4eu.eu/wp-content/uploads/2022/06/Policy-Brief-PFAs_DE.pdf
Trinkwasser in den USA: https://www.theguardian.com/environment/2023/aug/17/pfas-us-drinking-water-contaminated-forever-chemicals-epa
Die typischen problematischen PFAS-Vertreter sind Substanzen die sich aus teil- oder vollfluorierten Kohlenwasserstoffen zusammensetzten, die aus verschiedenen Ketten bestehen, die z.B. durch
Etherbindungen verbunden sind und in der Regel Säure- oder Sulfonsäurefunktionen tragen (PFAA). Es entsteht eine Art Baukasten in dem man bei Verbot einer Substanz durch kleine Veränderungen
mühelos eine andere, noch unbekannte aber wahrscheinlich genauso schädliche herstellen kann. Die ist dann erstmal wieder zulässig bis man ihre Gefährlichkeit in einem jahrelangen Prozess
nachgewiesen hat. Genau das geschieht jetzt seit Jahrzehnten. Der Gesetzgeber läuft dabei verzweifelt hinter den einfallsreichen Synthesechemikern her. Einziger Ausweg aus dieser Situation
ist ein "Totalverbot", das in der Realität massive Ausnahmeregelungen und jahre- bis jahrzehntelange Übergangsfristen enthält.
Denkansatz etwa: wenn ein Industrieunternehmen seit Jahrzehnten erfolgreich seine Beschäftigten und die Umwelt vergiftet (und das sehr wohl weiß), dann kann man ihm das nicht übergangslos
verbieten. So müssen natürlich eindeutig gewässerschädliche Löschschäume auf Flughäfen erst noch aufgebraut werden. Später kann man die Kontamination dann auf Kosten der Wasserwerke - also der
Allgemeinheit - beseitigen.
Die gleiche Debatte haben wir jetzt in den USA https://www.theguardian.com/environment/2023/aug/18/epa-new-definition-pfas-forever-chemicals,
wo die US-EPA jetzt versucht, ihre eigene Definition für PFAS aufzuweichen. Statt eine klare Definition zu benutzen will die EPA jetzt auf einen "case to case"-Ansatz übergehen - womit wir wieder
beim oben angesprochenen "Wettrennen" wären. Das ist inzwischen so unüberichtlich, dass selbst Industrievertreter nach Planungssicherheit rufen.
Bernd Wille
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