Planetare Belastungsgrenzen
https://phys.org/news/2022-01-safe-planetary-boundary-pollutants-plastics.html
Bei der Diskussion über eine Grafik im Chemikalien-Heft kam die Frage auf, ob man im Modell der planetaren Belastungsgrenzen den Sektor "novel entities" einfach so mit Chemikalien und Gentechnik identifizieren kann.
Zunächst hilft ein Blick in den Grundsatzartikel (1):
Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet
WILL STEFFEN et al. SCIENCE 15 Jan 2015 Vol 347, Issue 6223
hier werden unter die "novel entities" auch modifizierte Lebensformen gezählt.
Entscheidend ist aber der 2. Artikel, der dieses Segment " auf rot setzt" (2):
Outside the Safe Operating Space of the Planetary Boundary for Novel Entities, Linn Persson et. al.
Environ. Sci. Technol. 2022, 56, 3, 1510–1521, DOI: 10.1021/acs.est.1c04158
Die Überlegung ist hier, dass es zur Formulierung einer Grenze keinen Sinn hat, einfach Überschreitungen von Grenzwerten zu beklagen und zu summieren. Das Problem ist das Fehlen von Grenzwerten. Man muss von der Intention des Modells her argumentieren und da ist der entscheidende Schritt die Einführung von mehr "novel entities" als im gleichen Zeitraum in Bezug auf ihre Wirkung auf die Integrität der Biosphäre bzw. eines Kompartiments bewertet werden können. Wir erinnern uns: (2)"The goal is to protect biosphere integrity for a given environmental compartment (e.g., freshwater ecosystems) from the effects of the chemicals included in the assessment." ("Ziel ist es, die Integrität der Biosphäre in einem bestimmten Umweltkompartiment (z. B. Süßwasserökosysteme) vor den Auswirkungen der in die Bewertung einbezogenen Chemikalien zu schützen.")
Angesichts der Schwierigkeit, die Wirkungen ihrer Freisetzung zu bestimmen, gehören gentechnisch veränderte Organismen sehr wohl in diese Kategorie.
Eine weitere Frage ist natürlich ob man es sinnvoll findet, hier diese Kategorie "novel entities" auf rot zu setzen wenn wir bislang den Klimawandel noch auf orange (oder gelb) also als unsicher belassen. Vielleicht ist der Zustand von REACH ein guter Hinweis: seit mehr als 10 Jahren läuft ein unglaublicher bürokratischer Apparat hinter der "Innovationskraft" der chemischen Industrie her. Bislang sind (2019)(3) etwa 22000 Substanzen evaluiert und man ist lediglich bei den in über 1 Tonne pro Jahr produzieren oder eingeführten Substanzen. Von den 2000 evaluierten Dossiers waren 70% nicht regelkonform. Die Entwicklung geht eindeutig in die falsche Richtung. Es handelt sich hier allerdings nicht um eine messbare Grenze sondern um die Interpretation eines Trends.
B. Wille
revidiert für bessere Lesbarkeit und ergänzt um Überlegungen zu "roten" Bewertung 20.11.22
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Quellen:
(1) https://www.science.org/doi/10.1126/science.1259855#Fa%20%20(Stand%202015)
Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet
WILL STEFFEN , KATHERINE RICHARDSON, JOHAN ROCKSTRÖM, SARAH E. CORNELL, INGO FETZER, ELENA M. BENNETT, REINETTE BIGGS, STEPHEN R. CARPENTER, WIM DE VRIES, [...], AND SVERKER SÖRLIN
SCIENCE
15 Jan 2015
Vol 347, Issue 6223
"Introduction of novel entities
We define novel entities as new substances, new forms of existing substances, and modified life forms that have the potential for unwanted geophysical and/or biological effects. Anthropogenic introduction of novel entities to the environment is of concern at the global level when these entities exhibit (i) persistence, (ii) mobility across scales with consequent widespread distributions, and (iii) potential impacts on vital Earth-system processes or subsystems. These potentially include chemicals and other new types of engineered materials or organisms [e.g., (68–71)] not previously known to the Earth system, as well as naturally occurring elements (for example, heavy metals) mobilized by anthropogenic activities. "
"Einführung neuartiger Stoffe
Wir definieren neuartige Entitäten als neue Stoffe, neue Formen bestehender Stoffe und veränderte Lebensformen, die das Potenzial für unerwünschte geophysikalische und/oder biologische Auswirkungen haben. Die anthropogene Einführung neuartiger Stoffe in die Umwelt ist auf globaler Ebene besorgniserregend, wenn diese Stoffe (i) persistent sind, (ii) über verschiedene Größenordnungen hinweg mobil sind und folglich weit verbreitet sind und (iii) potenzielle Auswirkungen auf lebenswichtige Prozesse oder Teilsysteme des Erdsystems haben. Dazu gehören möglicherweise Chemikalien und andere neue Arten von technisch hergestellten Materialien oder Organismen [z. B. (68-71)], die dem Erdsystem bisher nicht bekannt waren, sowie natürlich vorkommende Elemente (z. B. Schwermetalle), die durch anthropogene Aktivitäten mobilisiert werden."
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
(2) https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.1c04158
Outside the Safe Operating Space of the Planetary Boundary for Novel Entities
Linn Persson*, Bethanie M. Carney Almroth, Christopher D. Collins, Sarah Cornell, Cynthia A. de Wit*, Miriam L. Diamond, Peter Fantke, Martin Hassellöv, Matthew MacLeod, Morten W. Ryberg, Peter Søgaard Jørgensen, Patricia Villarrubia-Gómez, Zhanyun Wang, and Michael Zwicky Hauschild
Cite this: Environ. Sci. Technol. 2022, 56, 3, 1510–1521
Publication Date:January 18, 2022
Die Autoren heben hier auf Chemikalien und Plastik ab und erwähnen Gentechnik nicht. Sie schreiben in der Conclusion:
"We have adopted a weight-of-evidence approach to answer the question of whether we are transgressing the safe operating space of the NE-PB based on the set of control variables. Compelled by the increasing temporal trends seen in most of the control variables, we answer the question by comparing the rate of change in the amount of chemicals, including plastics, that are produced and released to the environment, relative to our capacity to conduct safety assessments and monitoring. We submit that the safe operating space of the NE-PB is exceeded when annual production and releases increase at a pace that outstrips the global capacity for assessment and monitoring."
"Zur Beantwortung der Frage, ob wir den sicheren Betriebsbereich der NE-PB auf der Grundlage der Kontrollvariablen überschreiten, haben wir einen Ansatz der Beweiskraft der Daten gewählt. Aufgrund der zunehmenden zeitlichen Trends, die bei den meisten Kontrollvariablen zu beobachten sind, beantworten wir die Frage, indem wir die Veränderungsrate der Menge an Chemikalien, einschließlich Kunststoffen, die produziert und in die Umwelt freigesetzt werden, mit unserer Kapazität zur Durchführung von Sicherheitsbewertungen und Überwachung vergleichen. Wir sind der Ansicht, dass der sichere Betriebsbereich des NE-PB überschritten wird, wenn die jährliche Produktion und Freisetzung in einem Tempo zunimmt, das die globalen Kapazitäten für die Bewertung und Überwachung übersteigt."
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
(3) https://eeb.org/chemical-evaluation-report-achievements-challenges-and-recommendations-after-a-decade-of-reach/
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