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Über spontane Mutationen und CRISPR/CAS

http://mailings.testbiotech.org/m/7870824/504386-114d7cb64c9e6a246cdfcde0ac06d8630388696bf83c49477c29d5ca6962cfc348f1dd345d833b95729800ba68bea157

 

auf Anregung von Ariane:

 

Die Publikation von Testbiotech bezieht sich auf einen Nature-Artikel

Mutation bias reflects natural selection in Arabidopsis thaliana

https://www.nature.com/articles/s41586-021-04269-6

 

Die Sache ist leider etwas kompliziert - aber trotzdem  lohnend nachzuverfolgen.

 

Es geht um eine wichtige Eigenschaft des sogenannten "site directed mutagenesis", also all der neuen Verfahren, die uns gerade ans Herz gelegt und möglichst von Überprüfung ihrer Produkte ausgenommen werden sollen weil sie doch nichts anderes als natürliche Mutationen seien.

 

Es wurde schon oft angemerkt, dass diese Verfahren an definierten Stellen im Erbgut ansetzen. Das ist angeblich ihr Vorteil da sie exakt und zielgenau sind. Nun ist das Erbgut höherer Organismen ein ziemliches Chaos (soviel wir wissen und -nicht- verstehen). Sehr große Teile scheinen für nichts sinnvolles zu codieren und haben keine offensichtliche Funktion außer den genetischen Fingerabdruck zu ermöglichen. Alle paar Jahre allerdings findet dann doch jemand dort z.B. so etwas wie "Spielwiesen" zum Ausprobieren neuer Genvarianten, die wichtig für die Evolution sein könnten. Abgesehen davon dass wir sehr vieles nicht verstehen sind große Bereiche sehr variabel (von Individuum zu Individuum und auch zeitlich). 

Für unsere sehr exakten neuen Techniken sind solche Bereiche natürlich ungünstig (abgesehen davon dass wir nicht wissen was sie tun). Hat man mühevoll einem Enzym beigebracht an einer genau definierten Stelle zu schneiden soll das natürlich nicht durch variable Gensequenzen sabotiert werden. Sprich: die neuen Techniken konzentrieren sich auf wenig variable Stellen im Genom.

 

Natürliche Mutationen (oder solche durch Chemie oder Strahlung) erfolgen nach klassischer Vorstellung nun zunächst einmal statistisch verteilt mehr oder weniger überall gleichmäßig. So müßte dann auch das Muster zufällig erzeugten Veränderungen im Genom aussehen. Die Nature-Publikation zieht genau das in Zweifel.

In einer grossen Stichprobe, in der lediglich tödliche Mutationen aus der Auswertung herausfallen (ich übergehe hier etliche technische Komplikationen die ich beiläufig zum großen Teil nicht ausreichend einschätzen kann), zeigt sich dass die Mutationen keineswegs gleichmäßig verteilt sind.

Wesentliche Feststellungen:

Mutationen sind in Bereichen, die für bekannte Gene kodieren nur halb so hoch wie im Durchschnitt und in essentiellen Genen nur 1/3 so hoch. Außerhalb dieser Bereiche können sie gut mit bekannten biochemischen Eigenschaften der Sequenz erklärt werden.

Die Autoren ziehen den Schluss, dass es einen Mechanismus gibt, der funktional wichtige Bereiche vor Mutationen schützt und eventuell sogar eine Einfluß auf die Richtung der Evolution haben könnte. 

Kurz: es gibt offenbar Mechanismen, die funktionale Gene vor Veränderung durch Mutationen schützen. Wie das genau geschieht ist nicht klar.

 

Testbiotech schlussfolgert nun, in der Diskussion über die Neue Gentechnik seien die Resultate vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil mithilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas auch Gene verändert werden können, die sonst durch natürliche Reparaturprozesse gut geschützt sind. 

Offenbar wird ein natürlicher Mechanismus umgangen, der für die Lebensfähigkeit und Evolution von Organismen wichtig ist. 

Das wäre jetzt zwar ein Argument gegen die Behauptung, Veränderungen durch CRISPR/CAS etc. wären so etwas ähnliches wie natürliche Mutationen. Allergings sollte man im Auge behalten, dass  diese Behauptung nichts als Teil einer Scheindebatte um einen Marketing-Gag ist: gleichgültig ob es mehr oder weniger "Ähnlichkeit" von CRISPR/CAS-Eingriffen mit "natürlichen" Mutationen gibt. Das sagt nichts darüber aus ob diese Techniken reguliert werden müsssen.

 

Worum es wirklich geht: wenn man massive Veränderungen an einem Mechanismus vornimmt, den man nur in groben Linien versteht, dann sollte man sich nicht weigern sicherheitshalber nach den Folgen zu schauen. Selbst wenn man aus irgendeinem Grunde meint dass diese Eingriffe eine entfernte Ähnlichkeit mit natürlichen Prozessen haben. Selbst wenn das richtig wäre könnten solche "naturnahen" Veränderungen problematische Folgen haben. Es gilt das Vorsorgeprinzip. Genetisch veränderte Organismen müssen sorgfältig evaluiert werden.

 

B.Wille

 

 

 

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