Toxizität von verdrifteten Pestiziden und Herbiziden
die Studie über Rindenmonitoring https://www.enkeltauglich.bio/wpcontent/uploads/2019/02/Bericht-H18-Rinde-20190210-1518-1.pdf
in der Pestizide auch in weit von jeder Anwendung entfernten Gebieten, etwa auf dem Brocken, nachgewiesen wurden wurde ist Bundesamt für Risikobeurteilung https://www.bfr.bund.de/cm/343/abdrift-verfluechtigung-und-verfrachtung-von-pestiziden.pdf
einer kritischen Bewertung unterzogen. Siehe dazu auch die Kommentare durch PAN-Germany und Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft :
Beiläufig kann die dahinterstehende Idee nicht so ganz abwegig sein, auch das Landwirtschaftsministerium denkt darüber nach (nachdem 2008 diese Art der Überwachung eingestellt wurde).
Zusammengefasst:
Es ist schwierig, aus Rinden- oder Passivsammler-Studien die effektive Belastung am Probenort abzuleiten.
Der Sinn dieser Studien ist es also, zu etablieren wie weit verbreitet Pestizide in der Umwelt inzwischen sind. Dabei kann man Auffälligkeiten wie die Verbreitung vorgeblich nichtflüchtiger Stoffe feststellen (Glyphosat), aber auch die ubiquitäre Verbreitung von flüchtigen Stoffen, die ein bekanntes Problem darstellen (Pendimethalin, Prosulfocarb). Bei den letzten beiden Stoffen sind die Industriestudien zur Abwesenheit von krebserregenden Eigenschaften offenbar nicht völlig schlüssig. https://www.enkeltauglich.bio/wp-content/uploads/2020/02/Tox-Bewertung-Peter-Clausing-02.pdf. Sollte sich das bestätigen wäre die Zulassung dieser Substanzen nicht akzeptabel.
Die Belastung durch Staub und Regenwasser ist nicht zu vernachlässigen (s.u.). Entsprechende Ablagerungen auf Feldfrüchten etc. sind anzunehmen.
Hier ist die Frage nicht primär ob irgendwelche Grenzwerte überschritten werden. Es geht darum, dass z.B. Biobauern Untersuchungen finanzieren müssen um die Pestizidfreiheit ihrer Erzeugnisse nachzuweisen.
Es gibt ausführliche – auch unter peer-review publizierte - Literatur darüber, dass Glyphosat kilometerweit verdriftet und dass die Belastungen im Regenwasser in der Nachbarschaft von landwirtschaftlich genutzten Gebieten für einige Pestizide (in diesem Falle nicht Glyphosat) z.B. die kanadischen Grenzwerte für Wasser zur Bewässerung überschreiten können.
(Bulk Deposition of Pesticides in a Canadian City: Part 1. Glyphosate and Other Agricultural Pesticides Annemieke Farenhorst, L. A. Andronak & R. D. A. McQueen Water, Air, & Soil Pollution 226, Article number: 47 (2015) https://doi.org/10.1007/s11270-015-2343-4). Die Rinden-Studie zeigt, dass die Luftbelastung mit Pestiziden tatsächlich weit in Schutzgebiete und Gebiete biologischer Landwirtschaft hineinreicht.
Das BfR gibt an, Verdriftung von Pestiziden werde berücksichtigt. Das ist nur insofern der Fall, als die Belastung beim Versprühen beurteilt wird. In der Regel wird ansonsten aus der Nicht-Flüchtigkeit einer Substanz geschlossen, dass die weiterräumige Verdriftung zu vernachlässigen ist. Das BfR beruft sich zu Verdriftung auf eine EFSA-Richtlinie (https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/3874), die explizit die Verdriftung beim Versprühen für “operators, workers, residents and bystanders” und z.B. die Belastung von “residents”, also Bewohnern des behandelten Gebiets auf Basis von “Spray drift” behandelt.
Das BfR gibt an, Kombinationen von Zusatzstoffen werde berücksichtigt. Die Wirkung von Kombinationen von Pestiziden und von Zusatzstoffen von Formulierungen wird in der EU diskutiert und es gibt erste Ansätze zu Regulierungen z.B. für Formulierungen mit mehreren Substanzen (von 2019). (https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/5634). Forderungen wie die Berücksichtigung von Zusatzstoffen (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) würden aber wenn sie denn in Verfahrensanweisungen umgesetzt wären allenfalls Wiederzulassungen von Pestiziden (Geltungsdauer meist 10 Jahre) betreffen und auch nur dann wenn sie fristgerecht geltend gemacht werden.
Tatsächlich werden Tests der gesamten Formulierung z.B. in den aktuellen Vorschriften z.B. für Bienentoxizität nur bedingt vorgesehen: “Acute studies with the formulation are only required if the toxicity cannot be predicted on the basis of the active substance.” (EFSA Journal 2013;11(7):3295) . “Cannot be predicted” ist nicht spezifiziert.
Für Glyphosat-Formulierungen ist z.B. gesichert, dass das beigefügte Detergens für Amphibien toxischer ist als Glyphosat (Rick E. Relyea: The lethal impact of Roundup on aquatic and terrestrial amphibians. In: Ecological Applications. Band 15, Nr. 4, 2005, S. 1118–1124.)
Relevante Daten werden oft nicht oder verzögert eingereicht. Typische “peer reviews” von Pestizid-Zulassungen strotzen im Allgemeinen von “data gaps” also Hinweisen auf vom Hersteller nachzuliefernde Daten um die dann die Behörde bei der Bewertung mühsam herumdiskutiert.
Probleme des Zulassungsverfahrens sind ausführlich diskutiert worden (Achieving a High Level of Protection from Pesticides in Europe: Problems with the Current Risk Assessment Procedure and Solutions Claire ROBINSON et.al. European Journal of Risk Regulation 11,3, 2020 https://www.cambridge.org/core/product/identifier/S1867299X20000185/type/journal_article).
Wir befinden uns also in der EU in einem zähen Prozess der durch den hinhaltenden Widerstand der Hersteller sich unter heutigen Bedingungen sicherlich noch Jahrzehnte ziehen würde.
Die Passivsammler-Studie liefert einen wertvollen Hinweis auf die Verbreitung von Pestizidbelastungen und die Notwendigkeit von Massnahmen.
Wesentliche Forderungen:
- Reform des Zulassungsverfahrens, explizite Berücksichtigung von Verdriftung über weite Distanzen.
- Reform des Zulassungsverfahrens, keine Zulassung bei wesentlichen Lücken in der Dokumentation oder Verdacht auf krebserregende Wirkung
- Sofortige Massnahmen bei zugelassenen Substanzen auf den Verdacht von krebserregender Wirkung – das ist im Übrigen durch das heutige Verfahren abgedeckt, geschieht aber nicht (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009).
- Einführung eines Verfahrens zur Kostenübernahme der Produzenten für Reinheitstests bei Bioprodukten.
Bernd Wille
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