Thema grüne Gentechnik, Genome editing
https://www.leopoldina.org/veranstaltungen/veranstaltung/event/2840/
"Vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-528/16 vom 25. Juli 2018 zu Genetisch veränderten Organismen (GVO) bat der Europäische Rat die Europäische Kommission am 8. November 2019, bis April 2021 eine Studie über den “Status neuartiger Gentechniken im Unionsrecht” vorzulegen. ... Eine umfassende Überprüfung ausländischer Regelwerke solle die faktische Grundlage dieser Studie schaffen." (Aus der Einleitung zur Einladung für ein Leopoldina-Seminar am 1. und 2. Oktober zu diesem Thema).
"Angesichts der Vielfalt der Reaktionen auf das EuGH-Urteil ... beschlossen die deutschen Akademien der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Debatte mithilfe evidenzbasierter, wissenschaftlicher Fakten zu unterstützen. Hierfür veröffentlichten sie einen Bericht, der von einer interdisziplinären Expertengruppe erstellt wurde. Dieser Bericht fordert einen differenzierteren Ansatz für die Regulierung von GVO in Europa und betont die Notwendigkeit, einen vorausschauenden Rechtsrahmen zu entwickeln und wissenschaftliche Fakten in die Gestaltung von Politik und Regulierung einfließen zu lassen."
https://www.leopoldina.org/presse-1/nachrichten/wissenschaftsakademien-und-dfg-empfehlen-ein-neues-europaeisches-gentechnikrecht/
https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2019_Stellungnahme_Genomeditierte_Pflanzen_kurz_de_web.pdf
Um das auf den Punkt zu bringen (und für diejenigen die längliche Stellungnahmen nicht lesen mögen) nehmen wir mal eine Popularisierung dieser Überlegungen:
https://www.zeit.de/2020/39/gruene-gentechnik-weizen-projekt-bundesverband-deutscher-pflanzenzuechter
Da haben wir einen sauber recherchierten Artikel, der ein vielleicht durchaus ehrenwertes Projekt beschreibt.
Leider jubelt uns der Verfasser en passant einige kleine Feststellungen unter, die nicht so ganz unproblematisch sind
- bisherige grüne Gentechnik ist schwer kalkulierbar und nützt nur einigen Monopolisten, nicht aber den Bauern
wenn Sie mich fragen: schön das das mal jemand in aller Deutlichkeit sagt.
Impliziert wird der Umkehrschluss:
- es gibt (CRISPR/CAS) eine exakte Gentechnik, die eigentlich keine ist (zumindest wenn sie nur Gene entfernt) und bestimmt keine ist weil man das eigentlich auch konventionell machen könnte.
- diese wird von der EU verhindert weil man sie hier nicht vermarkten kann.
Da müssen doch alle Wohlmeinenden die mittelständische Initiative der Deutschen Pflanzenzüchter unterstützen.
Mal abgesehen davon davon dass CRISPR/CAS nicht exakt und nebenwirkungsfrei ist - ganz besonders nicht in Pflanzen, ist das Entfernen von Genen ebenfalls genetische Manipulation und seine Wirkung schwer vorhersehbar. Abgesehen davon, dass man das konventionell leider nicht so machen kann - sonst hätte man es schon getan und die ganze aufwendige Debatte nicht angestoßen - ist die als Aufhänger benutzte patentrechtliche Frage (Oligopole, Abhängigkeit der Bauern) auch für die beschriebene Initiative noch nicht geklärt und damit einer der Hauptkritikpunkte an bisheriger grüner Gentechnik offen.
Zusätzlich werden mal wieder keine alternativen Möglichkeiten diskutiert. Immerhin hat es die Menschheit 10000 Jahren geschafft, Weizen anzubauen. Pestizide gegen Schadpilze sind ein Problem nicht nur wegen Resistenzentwicklungen aber es gibt ernstzunehmende Ideen bzgl. widerstandsfähiger und standortangepasster Sorten, evtl. um den Preis eines geringeren Ertrags und der Beschränkung auf wirklich sinnvolle Anbauflächen oder Fruchtfolge.
Der entscheidende Punkt hier ist aber dass uns wieder mal verkauft wird wie gefährlich es ist genetisch veränderte Organismen vernünftig zu evaluieren. Leider kann man eben nicht vorhersehen was eine drastische Veränderung im Genom einer zehntausend Jahre alten Kulturpflanze im betroffenen Ökosystem bzw im Organismus der Verbraucher anrichtet. Auch wenn man im vorliegenden Falle vielleicht keine Probleme findet wird man sicher in einem der abzusehenden 500 Folgefälle nachträglich feststellen dass man vielleicht doch besser genauer hingesehen hätte. Manipulierte Organismen sind leider nicht rückholbar.
Hinter dieser Überlegung steht das Vorsorgeprinzip und das steht zu Recht im Cartagena-Protokoll (Protokoll über biologische Sicherheit, 2003, 171 Unterzeichnerstaaten - nicht die USA). Etwas vergleichbares haben wir für Chemikalien nicht - siehe DDT, Toxaphen, Phosphororgnische, PCB, bromierte Flammschutzmittel, Neonics ...
Wäre ich ein Verschwörungstheoretiker würde ich jetzt natürlich behaupten: hier läuft eine Kampagne.
Die oben zitierte Leopoldina-Stellungnahme zeigt eigentlich ganz gut den Hintergrund: die deutsche und europäische Forschung und Entwicklung gerät ins Hintertreffen weil Überwachung die Entwicklung verteuert. Gerade kleinere Firmen können nicht mithalten, womit auch Entwicklungen an nur lokal bedeutsamen Arten behindert werden. Die universitäre Forschung in diesem Bereich ist auf Drittmittel angewiesen die zum Teil direkt oder indirekt von den betreffenden Firmen kommen.
Die Leopoldina - Stellungnahme plädiert immerhin noch für eine wissenschaftsbasierte Kontrolle mit Augenmaß und behält die Kennzeichnungspflicht mit Einschränkungen bei. Auch die Bedenken der Verbraucher sollen berücksichtigt werden.
" Das Erfordernis sowie Art und Umfang einer wissenschaftsbasierten Risikobewertung sollten in Abhängigkeit von der Neuartigkeit des jeweiligen Produktes bzw. Merkmals festgelegt werden. Für Zweifelsfälle sollte ein vorgeschaltetes Bewertungsverfahren bei einer nationalen Behörde unter Einbeziehung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit eingeführt werden"
Leider kommt weder die Rückholbarkeit (fragen Sie mal kanadische Biobauern nach Mais) noch das Vorsorgeprinzip in diesen Überlegungen vor. Dies äußert sich zum Beispiel im Absatz über Freilandversuche der vor allem von der Furcht vor dem Export von Versuchen (und Forschern) geprägt ist. Der Markt bestimmt die Überlegungen.
Eine etwas andere Einschätzung gibt das technische Büro des Bundestages für Technologiefolgenabschätzung in der Stellungnahme zu synthetischer Biologie: https://www.vbio.de/fileadmin/user_upload/wissenschaft/pdf/TAB-Arbeitsbericht-ab164.pdf
"Anknüpfend an erste Untersuchungen der vergangenen Jahre zur Risikoabschätzung gentechnisch veränderte Pflanzen (GVP) mit substanziell geänderten Eigenschaften (z.B. hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung oder ihrer Trockenheits- und Salztoleranz) und angesichts der fortschreitenden Möglichkeiten der Synbio i.w.S., vor allem der Genome-Editing-Verfahren, erscheint es fast schon drängend, dass sich das BMBF – im Verbund mit den anderen betroffenen
Fachministerien für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – erneut der Biosicherheitsforschung zuwendet, nachdem diese seit 2012 nur noch im Rahmen europäischer Projekte gefördert worden ist. Die Brisanz von Fragen der Zulassung von GVO und der Biosicherheitsforschung als Basis zukünftiger Risikoabschätzung und -regulierung wird noch dadurch gesteigert, dass eine Reihe von Gentechnologieanwendungen von der Risikoregulierung und damit der Sicherheitsbewertung auch in der EU und Deutschland nicht (mehr) erfasst wird, weil die quantitativen Änderungen auf DNA-Ebene sehr gering sind, gleichzeitig aber durch Summierung zu substanziell veränderten GVO führen könnten."
Also vielleicht doch genauer hinsehen?
Bernd Wille
https://www.leopoldina.org/veranstaltungen/veranstaltung/event/2840/
"Vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-528/16 vom 25. Juli 2018 zu Genetisch veränderten Organismen (GVO) bat der Europäische Rat die Europäische Kommission am 8. November 2019, bis April 2021 eine Studie über den “Status neuartiger Gentechniken im Unionsrecht” vorzulegen. ... Eine umfassende Überprüfung ausländischer Regelwerke solle die faktische Grundlage dieser Studie schaffen." (Aus der Einleitung zur Einladung für ein Leopoldina-Seminar am 1. und 2. Oktober zu diesem Thema).
"Angesichts der Vielfalt der Reaktionen auf das EuGH-Urteil ... beschlossen die deutschen Akademien der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Debatte mithilfe evidenzbasierter, wissenschaftlicher Fakten zu unterstützen. Hierfür veröffentlichten sie einen Bericht, der von einer interdisziplinären Expertengruppe erstellt wurde. Dieser Bericht fordert einen differenzierteren Ansatz für die Regulierung von GVO in Europa und betont die Notwendigkeit, einen vorausschauenden Rechtsrahmen zu entwickeln und wissenschaftliche Fakten in die Gestaltung von Politik und Regulierung einfließen zu lassen."
https://www.leopoldina.org/presse-1/nachrichten/wissenschaftsakademien-und-dfg-empfehlen-ein-neues-europaeisches-gentechnikrecht/
https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2019_Stellungnahme_Genomeditierte_Pflanzen_kurz_de_web.pdf
Um das auf den Punkt zu bringen (und für diejenigen die längliche Stellungnahmen nicht lesen mögen) nehmen wir mal eine Popularisierung dieser Überlegungen:
https://www.zeit.de/2020/39/gruene-gentechnik-weizen-projekt-bundesverband-deutscher-pflanzenzuechter
Da haben wir einen sauber recherchierten Artikel, der ein vielleicht durchaus ehrenwertes Projekt beschreibt.
Leider jubelt uns der Verfasser en passant einige kleine Feststellungen unter, die nicht so ganz unproblematisch sind
- bisherige grüne Gentechnik ist schwer kalkulierbar und nützt nur einigen Monopolisten, nicht aber den Bauern
wenn Sie mich fragen: schön das das mal jemand in aller Deutlichkeit sagt.
Impliziert wird der Umkehrschluss:
- es gibt (CRISPR/CAS) eine exakte Gentechnik, die eigentlich keine ist (zumindest wenn sie nur Gene entfernt) und bestimmt keine ist weil man das eigentlich auch konventionell machen könnte.
- diese wird von der EU verhindert weil man sie hier nicht vermarkten kann.
Da müssen doch alle Wohlmeinenden die mittelständische Initiative der Deutschen Pflanzenzüchter unterstützen.
Mal abgesehen davon davon dass CRISPR/CAS nicht exakt und nebenwirkungsfrei ist - ganz besonders nicht in Pflanzen, ist das Entfernen von Genen ebenfalls genetische Manipulation und seine Wirkung schwer vorhersehbar. Abgesehen davon, dass man das konventionell leider nicht so machen kann - sonst hätte man es schon getan und die ganze aufwendige Debatte nicht angestoßen - ist die als Aufhänger benutzte patentrechtliche Frage (Oligopole, Abhängigkeit der Bauern) auch für die beschriebene Initiative noch nicht geklärt und damit einer der Hauptkritikpunkte an bisheriger grüner Gentechnik offen.
Zusätzlich werden mal wieder keine alternativen Möglichkeiten diskutiert. Immerhin hat es die Menschheit 10000 Jahren geschafft, Weizen anzubauen. Pestizide gegen Schadpilze sind ein Problem nicht nur wegen Resistenzentwicklungen aber es gibt ernstzunehmende Ideen bzgl. widerstandsfähiger und standortangepasster Sorten, evtl. um den Preis eines geringeren Ertrags und der Beschränkung auf wirklich sinnvolle Anbauflächen oder Fruchtfolge.
Der entscheidende Punkt hier ist aber dass uns wieder mal verkauft wird wie gefährlich es ist genetisch veränderte Organismen vernünftig zu evaluieren. Leider kann man eben nicht vorhersehen was eine drastische Veränderung im Genom einer zehntausend Jahre alten Kulturpflanze im betroffenen Ökosystem bzw im Organismus der Verbraucher anrichtet. Auch wenn man im vorliegenden Falle vielleicht keine Probleme findet wird man sicher in einem der abzusehenden 500 Folgefälle nachträglich feststellen dass man vielleicht doch besser genauer hingesehen hätte. Manipulierte Organismen sind leider nicht rückholbar.
Hinter dieser Überlegung steht das Vorsorgeprinzip und das steht zu Recht im Cartagena-Protokoll (Protokoll über biologische Sicherheit, 2003, 171 Unterzeichnerstaaten - nicht die USA). Etwas vergleichbares haben wir für Chemikalien nicht - siehe DDT, Toxaphen, Phosphororgnische, PCB, bromierte Flammschutzmittel, Neonics ...
Wäre ich ein Verschwörungstheoretiker würde ich jetzt natürlich behaupten: hier läuft eine Kampagne.
Die oben zitierte Leopoldina-Stellungnahme zeigt eigentlich ganz gut den Hintergrund: die deutsche und europäische Forschung und Entwicklung gerät ins Hintertreffen weil Überwachung die Entwicklung verteuert. Gerade kleinere Firmen können nicht mithalten, womit auch Entwicklungen an nur lokal bedeutsamen Arten behindert werden. Die universitäre Forschung in diesem Bereich ist auf Drittmittel angewiesen die zum Teil direkt oder indirekt von den betreffenden Firmen kommen.
Die Leopoldina - Stellungnahme plädiert immerhin noch für eine wissenschaftsbasierte Kontrolle mit Augenmaß und behält die Kennzeichnungspflicht mit Einschränkungen bei. Auch die Bedenken der Verbraucher sollen berücksichtigt werden.
" Das Erfordernis sowie Art und Umfang einer wissenschaftsbasierten Risikobewertung sollten in Abhängigkeit von der Neuartigkeit des jeweiligen Produktes bzw. Merkmals festgelegt werden. Für Zweifelsfälle sollte ein vorgeschaltetes Bewertungsverfahren bei einer nationalen Behörde unter Einbeziehung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit eingeführt werden"
Leider kommt weder die Rückholbarkeit (fragen Sie mal kanadische Biobauern nach Mais) noch das Vorsorgeprinzip in diesen Überlegungen vor. Dies äußert sich zum Beispiel im Absatz über Freilandversuche der vor allem von der Furcht vor dem Export von Versuchen (und Forschern) geprägt ist. Der Markt bestimmt die Überlegungen.
Eine etwas andere Einschätzung gibt das technische Büro des Bundestages für Technologiefolgenabschätzung in der Stellungnahme zu synthetischer Biologie: https://www.vbio.de/fileadmin/user_upload/wissenschaft/pdf/TAB-Arbeitsbericht-ab164.pdf
"Anknüpfend an erste Untersuchungen der vergangenen Jahre zur Risikoabschätzung gentechnisch veränderte Pflanzen (GVP) mit substanziell geänderten Eigenschaften (z.B. hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung oder ihrer Trockenheits- und Salztoleranz) und angesichts der fortschreitenden Möglichkeiten der Synbio i.w.S., vor allem der Genome-Editing-Verfahren, erscheint es fast schon drängend, dass sich das BMBF – im Verbund mit den anderen betroffenen
Fachministerien für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – erneut der Biosicherheitsforschung zuwendet, nachdem diese seit 2012 nur noch im Rahmen europäischer Projekte gefördert worden ist. Die Brisanz von Fragen der Zulassung von GVO und der Biosicherheitsforschung als Basis zukünftiger Risikoabschätzung und -regulierung wird noch dadurch gesteigert, dass eine Reihe von Gentechnologieanwendungen von der Risikoregulierung und damit der Sicherheitsbewertung auch in der EU und Deutschland nicht (mehr) erfasst wird, weil die quantitativen Änderungen auf DNA-Ebene sehr gering sind, gleichzeitig aber durch Summierung zu substanziell veränderten GVO führen könnten."
Also vielleicht doch genauer hinsehen?
Bernd Wille
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